Allgemein, blog, Culture

Reden für Dummies – Dialog ist nicht nur im Netz für den Arsch

Alle jammern, dass im Internet kein anständiger Dialog zustande kommt. Dabei kacken viele schon beim Offline-Gespräch ab: Sie labern irrelevanten Müll oder hören nicht zu.

Ich kann nicht anders. Ich muss hinhören, wenn der Alte im Zugbistro sein Gegenüber volllabert.

Und er labert laut, lange und lückenlos.

Wie ein Maschinengewehr mit endloser Munition feuert er Meinungen und vermeintliches Wissen auf seinen machtlos da sitzenden Gesprächspartner ab.

Wieso Letzterer noch nicht aufgestanden ist, ihm das restliche Bier über den Kopf geleert und das Abteil gewechselt hat, ist mir rätselhaft. Ich sehe zwei mögliche Gründe.

  1. Er ist dermassen begeistert von dem Geblubber des Alten, dass er an seinen Lippen hängt und sich wünscht, diese Zugfahrt würde nie enden.
  2. Er hat schon lange auf Durchzug geschaltet, lässt resigniert die Quassel-Flutwelle auf sich niederprassen und hofft, dass der Zug endlich in Basel ankommt.

Ich tippe auf Nummer zwei.

Vier Typen von Dialog-Assis

Ein Dialog muss anders verlaufen als dieses Zug-Gespräch – austausch- und interessensbasierter.

Heruntergebrochen auf einzelne Schritte heisst das: Zuhören, verarbeiten, antworten, eine (verbale oder nonverbale) Reaktion abwarten, repeat.

Auf den ersten Blick simpel, doch viele Menschen kriegen das nicht hin. Ich kenne vier Typen, die an diesem Ablauf scheitern oder ihn ignorieren.

  1. Die Gesprächspiraten: Sie Kapern das Gesprächsthema und die Gesprächszeit. Sie müllen dich mit Geschichten und Meinungen zu. Dabei versichern sie sich auch nicht nur einmal, ob dich ihr Gequassel überhaupt interessiert. Unser Quassel-König von der Zugreise? Ein Gesprächspirat.
  2. Die Selbstzweck-Plauderer: Sie reden, damit geredet wird, und schenken dem Inhalt deiner Aussagen entsprechend wenig Aufmerksamkeit. Du erkennst sie daran, dass sie deinen Satz bejahen, bevor du ihn überhaupt zu ende gesprochen hast. Du könntest sagen: “heute hätte ich Lust, drei Katzen zu zerstückeln, wäre das nicht schön?”, und von ihnen ein “Ja, das wäre mega!” als Antwort erhältst.
  3. Die Verhörer: Sie ballern dich mit zusammenhanglosen Fragen zu, ohne auf deine Antworten einzugehen. Meistens schieben sie die nächste Frage nach, während dem du noch die vorangegangene Frage beantwortest. Ein Dialog, bei dem beide Fragen stellen, wird damit unmöglich. Wäre dieses Gespräch ein Tennisspiel, würden dich die Verhörer mit ihren Schmetterbällen über den Platz jagen. Du kommst nie dazu, einen anständigen Ball zu spielen, weil du jeden Ball retten musst.
  4. Die Dampfwalzen: Wie den Verhörern ist es auch den Dampfwalzen ziemlich Banane, dass du gerade dabei bist, etwas zu sagen, das du dir gut überlegt hast und gerne vermitteln willst. Im Gegensatz zu den Verhörern überfahren sie deine Aussage mit eigenen Meinungen oder sonst was, das ihnen durch den Kopf geht.


Es ist kompliziert

Fairerweise muss man sagen, kommunizieren ist nicht einfach. Ich kram jetzt die Überreste meines Uni-Wissens hervor. Soweit ich mich erinnern kann, meinte der Kommunikationstheoretiker Nikals Luhmann, zwischenmenschliche Kommunikation sei verdammt schwierig:

Zuerst muss ich die Gedankenfetzen in meinem Gehirn zu einem logischen Ablauf ordnen. Anschliessend muss ich diesen Ablauf in dieses ziemlich limitierte Medium giessen, das wir Sprache nennen. Dann muss ich hoffen, dass mein Gegenüber meine Worte so encodiert und interpretiert, wie ich mir das vorgestellt habe.

Spätestens beim Interpretieren wirds richtig kritisch. Denn jede Person verknüpft ihre eigenen Erfahrungen mit den von mir gesagten Dingen und versteht diese dadurch komplett anders.

Dass alle labern, heisst nicht, dass jeder es kann

Ja, wir labern alle die ganze Zeit – aus Höflichkeit, weil wir uns vor kollektiver Stille fürchten und weil wir unsere Meinung äussern, um unsere Identität zu festigen.

Wir labern aber auch, weil Kommunikation in so ziemlich allen Lebensbereichen verdammt wichtig ist.

Doch beim miteinander Sprechen ist es wie beim Tanzen, nur weil jeder es macht, heisst es nicht, dass jeder es kann. Die einen haben den Rhythmus im Gefühl, die anderen gehen in Kurse und lernen das Tanzen  – und wiederum andere zappeln auf der Tanzfläche rum wie ein Fisch, denken aber sie seinen John Travolta in Night Fever.

Also: Kommunikation ist in der analogen Welt schon schwer genug, kein Wunder, ist der Dialog im Netz so für den Arsch. Schauen wir doch, dass wir mal richtig miteinander sprechen lernen, bevor wir dem Internet die Schuld zuschieben.

 

 

Gastblogger Lorenz König macht was mit Medien und ab und zu was mit Musik. Seine Gedanken zum Gang der Welten veröffentlicht er auf dem Blog Boom-Town (https://medium.com/boom-town), sein Twitterhandle lautet: @lorenzkoenig

Standard
blog, Culture, Lifestyle

Wenn sich Kultur und Kreativität auf ein Bier treffen

(Kultur und Kreativität sitzen in ihrem Stammlokal an ihrem Stammtisch. Die Stimmung ist nicht die beste.)

Kreativität: Zwei Bier bitte!

Kultur: Das hab ich jetzt bitter nötig.

Kreativität: Wem sagst du das! Ich krieg gerade so ziemlich die Krise.

Barkeeper (serviert Bier): Bitteschön!

Kultur: Was? Ist’s bei dir auch so schlimm? Erzähl mal.

Kreativität: Ich komm nicht mehr zur Ruhe, alle wollen kreativ sein. Vor 1968 bin ich nur mit Künstlern, Musikern und ein paar Freaks rumgehangen. Danach wurde ich mainstream. Und jetzt, 50 Jahre später, bin ich gestresster denn je: Jede verdammte Putzequipe möchte originell daherkommen. 

Kultur: Mist, die lassen einen einfach nicht mehr leben. Kürzlich war ich bei einem KMU. Die wollen mit mir neue Mitarbeiter anlocken. Sie meinen, sie hätten eine «einzigartige Arbeitskultur». Zum Totlachen.

Kreativität: Die finden dich sexy.

Kultur: Trotzdem, die haben keine Ahnung.

Kreativität: Du und dein elitäres Getue.

Kultur: Ich kann auch populistisch sein, wenn du willst.

Kreativität: Lass das mal lieber. Bei mir ist die Situation ähnlich. Alle, vom Café-Besitzer bis zum CEO, vereinbaren ein Treffen mit mir und meinen danach: «Jetzt hab ichs raus, ich bin jetzt  genauso kreativ wie jeder Hippie-Künstler da draussen.»

Kultur: Dabei sind wir für die nur Mittel zum Zweck: Die wollen nur Geld mit uns scheffeln. 

Kellner: Noch zwei Bier?

Kreativität: Darauf kannst du einen lassen.

Kultur: Es gibt Arbeitgeber, die mich als Grund nennen, wenn sie ihren Mitarbeitern einen Hungerlohn zahlen. Wenn Praktikanten einen Lohn fordern, zeigen die Chefs auf mich und sagen: «Du darfst mit der hier zusammenarbeiten, weisst du, wie viele Menschen dafür töten würden?». Dabei gibt es Leute, die richtig Kohle machen mit mir. Für die bin ich keine Leidenschaft, sondern nur Geschäft. 

Kreativität: Bastarde

Kultur: Verdammte Bastarde!

Kreativität: Und verdammte 68er! Vorher war wirklich alles viel entspannter.

Kultur: Für dich war es das vielleicht. Ich dagegen wurde für politische Zwecke missbraucht. Du kannst dir nicht vorstellen, für welche faschistoiden Pläne die mich überall einsetzten in den 30ern. Fürchterlich.

Kreativität: Tragisch, und wie ist es jetzt?

Kultur: In Deutschland stellen die mich neuerdings als Leitkultur vor. Ich soll so sicherstellen, dass sich die Immigranten schön brav integrieren. Dann gibt es noch die Nationalkonservativen, die tun so, als wäre ich bedroht. Sie behaupten, sich um mich kümmern zu wollen, dabei wollen sie einfach ihr Fremdenhass hinter mir verstecken. 

Kreativität: Noch zwei Bier?

Kultur: Ja

(zwei Gäste betreten das Lokal)

Kreativität: Schau an, wer da kommt: Innovation und Produktivität!

Kultur: Sehen beide etwas ausgebrannt aus …

 

 

Gastblogger Lorenz König macht was mit Medien und ab und zu was mit Musik. Seine Gedanken zum Gang der Welten veröffentlicht er auf dem Blog Boom-Town (https://medium.com/boom-town), sein Twitterhandle lautet: @lorenzkoenig

Standard
Allgemein

Kultur, wir lieben dich!

But sometimes it’s complicated. A Lovestory.

Lieblingskunden per se gibt es nicht. Aber es gibt Lieblingsansprechpartner, Lieblingsarbeiten oder Lieblingsstundenansätze. Oder aber Lieblingsbranchen. Diese Lieblingsbranchen zeichnen sich meistens dadurch aus, dass man einen Kunden hat, der ein Business betreibt, mit dem man sich auch privat identifizieren kann, womit man sich auch ausserhalb der Bürozeiten beschäftigt. Kultur ist ein solches Business. Oder viel eher, eine solche Herzensangelegenheit. Aber keine Liebe wäre eine echte Liebe, wenn sie nur Sonnenseiten hätte. Es braucht diese Kontroverse zwischen Herzblut und Wahnsinn. Diese ups und downs oder dieses Abwägen zwischen wenig Geld, dafür erfüllende Arbeit. Denn dies entschädigt Einiges, es macht Spass.

But hey, sometimes it’s complicated, my love !

Eine Anekdote aus dem Leben eines culture-lover Grafikers:

Kultur: «Hey wir haben nicht so viel Geld, aber wir lassen euch die Freiheit, ihr könnt es so gestalten wie ihr wollt, wir reden euch nicht rein (echt nicht, wir schwören auch auf alle Subventionen die wir erhalten höhö).»

By the way, die Subventionen sind echt zu tief, Schweineee!! Aber das ist jetzt nicht das Thema.

Grafiker: Ein Freudentanz folgt auf die Auftragsvergabe, weil man endlich wieder etwas frei gusto gestalten darf, denn deshalb wurde man ja Grafiker, um sich kreativ ausleben zu können und nicht um eine Hure des schlechten Designgeschmacks zu werden, die für Geld auch Dinge gestaltet, die ihr selber fast Augenkrebs beschert.

Doch dann folgt der Herzbruch. Der Kulturkunde ohne Budget und konkretem Briefing möchte doch nochmals alles anders, ganz nach dem Motto: «Lebt euch aus, aber macht es trotzdem so wie wir wollen». Aber hey Yo! Voll easy, ist doch mega schnell gemacht, nur kurz das Bild austauschen, Format anpassen, Farben ändern und wenns geht noch eine andere Typo bitte, Textänderungen folgen dann asap, geht bestimmt zack zack. Nix zack zack, einmal alles in den Kübel heisst das.

Bääm, Faust ins Gesicht, Herz gebrochen, Liebeskummeralarm. Und Bier, viel Bier.

Dabei wollen wir doch nur dein Vertrauen, liebe Kultur. So wie in einer echten Liebe halt. True Love, bitch! Je mehr Vertrauen gegenseitig, desto weniger beef. Uns geht’s nicht nur um das «Eine» (Geld), wir wollen Liebe kreieren, bestenfalls ein Masterpiece of Design entwerfen, state of the art benchmarken oder es zumindest versuchen. The sky is the limit (lol!). Wir sind nicht der One-Night-Stand, der sich deinen Name nicht merken kann, sich im Morgengrauen vom Acker macht und eine falsche oder keine Telefonnummer hinterlässt. Wir sind echt nett. Also komm. Wir helfen dir.

Denn wie es in einer grossen Liebe so ist, will man das, was einem am meisten in den Wahnsinn treiben kann, mehr als alles andere.

Kultur wir lieben dich und wir können gar nicht genug von dir kriegen !

Denn der Moment kommt nachdem man sich nach der hundertsten, unbezahlten Korrekturrunde auf ein Layout geeinigt hat (das file mittlerweile angeschrieben mit KrasserFlyer-version450-print12-final8-finalfinal3-FINAL29 oder ähnliches) und das file auf den letzten Drücker seit ein paar Tagen im Druck ist. Das ist der Moment, in dem man ein Lieblingskonzert, Lieblingsfestival, Lieblingsveranstaltung, Lieblingseinrichtung oder ähnliches besucht und das Plakat hängen oder den Flyer liegen sieht. Dann passiert es (währendem man am Bier nippt, welches man aus finanziellen Engpässen schmarotzen musste), es ertönen Himmelsglocken, Tränen der Freude kullern über die Augenringe, verursacht durch die vielen Nachtschichten und es erfüllt dich mit Liebe. Und Stolz, Herzensangelegenheit halt. Und man weiss, jedes ausgerissene Haar hat sich gelohnt.

Und man spürt es ganz tief, from the bottom of the heart, diese Liebe währt für immer ! <3

Standard