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Apple und das Werbe-Armageddon

Mit dem Release von iOS 9 sorgt Apple für Aufregung in der Aufmerksamkeitsindustrie. Neben anderen Neuerungen eröffnet das neue Betriebssystem erstmals die Möglichkeit, AdBlocker auch auf dem iPhone einzusetzen und damit Surfgeschwindigkeit und User Experience auf dem Mobile massiv zu erhöhen.

AdBlocker verhindern die Ausführung von JavaScript, das Speichern von Cookies, das Tracking von Benutzern und – der für viele User wohl wichtigste Punkt – das Laden von Werbung. Das schont nicht nur die Augen, sondern auch die Batterie und das Zeitbudget: Die Seiten laden deutlich schneller.

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AdBlocker kombinieren also die Möglichkeit zur Wahrung der Privatsphäre mit einer dramatisch angenehmeren Art, das mobile Internet zu nutzen. Wer würde da nicht sofort zuschlagen? Das dachten sich auch zehntausende von Apple-Kunden, die Crystal, einen der ersten iOS-Adblocker, sofort in die Top Ten der bezahlten iTunes-Charts katapultiert haben.

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Das ist ein Messer in den Rücken der digitalen Werbeindustrie, die sich ohnehin seit längerem den Kopf darüber zerbricht, wie sie die rapide Verlagerung der Aufmerksamkeit auf Mobile auch nur einigermassen sinnvoll monetarisieren kann.

Viel wurde darüber geschrieben, wie dieser neuen Herausforderung begegnet werden kann. Marketing-Guru Seth Godin zum Beispiel meint zusammengefasst: Die Zeit, in der massive Werbe-Budgets gereicht haben, um eine Produkt in den Markt zu hämmern sind vorbei, man muss das Vertrauen und die Begeisterung der Kunden mit überragender Leistung gewinnen. Andere vermuten/befürchten eine weitere Beschleunigung im Trend zu Native Advertising, also Werbung, die versucht, inhaltlich nützlich zu sein. Gemeinsam ist all diesen Ansätzen, dass es mehr denn je darum geht, mit guten Ideen zu punkten, anstatt den werbetechnischen Holzhammer hervor zu kramen.

Wie dem auch sei: Wirklich besorgniserregend finde ich die Tatsache, dass all diese Dinge im Grunde genommen nur Kollateralschäden sind im titanischen Kampf zwischen Apple und Google. Eine aus meiner Sicht zutreffende Lesart deutet den Move von Apple nämlich als direkte Attacke gegen den Erzrivalen, der seine Milliarden fast ausschliesslich mit Werbung verdient. Und wenn zwei Titanen kämpfen, kann es schnell mal passieren, das die Kleinen einfach so zertrampelt werden. Ooops.

 

Gastblogger Thom Nagy ist Digitalstratege bei der TagesWoche, Blogger und DJ.

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Digitale Neujahrsvorsätze

2015

5. Januar, 2015. Kurz vor Mitternacht. Noch nicht zu spät für Neujahrsvorsätze, würd ich sagen. Besonders nicht, wenn Aufwand und Ertrag in einem so guten Verhältnis zueinander stehen, wie bei dem, den ich allen wärmstens ans Herz legen möchte, die sich Gedanken über ihre digitale Sicherheit machen: Zwei-Faktor-Authentifizierung. Klingt erstmal nicht besonders prickelnd, ich weiss. Aber dahinter verbirgt sich das Geheimnis, wie man seine Accounts verhältnismässig einfach um ein Vielfaches schwerer hackbar machen kann. Wer jetzt sagt «Ha, mir doch egal!», sollte kurz diesen Erfahrungsbericht durchlesen. Oder ans Fappening zurück denken. Gehackt zu werden ist nicht lustig.

Dabei geht es um folgendes: Ist die Zwei-Faktor-Authentifizierung aktiviert, benötigt man neben dem Passwort zusätzlich einen Code zum einloggen. Diesen Code bekommt ihr auf das zu diesem Zweck angemeldete Handy als SMS geschickt oder generiert ihn via App auf dem Smartphone selbst.

Er muss nicht jedes Mal zusätzlich eingegeben werden. Auf dem eigenen Laptop oder dem Büro-Computer kann man festlegen, nur beim allerersten Mal nach dem Code gefragt zu werden. Der sehr wirkungsvolle Schutz dieser Zwei-Faktor-Authentifizierung besteht darin, dass das Passwort allein für den Hacker nutzlos ist. Will er in Deinen Account, benötigt er zusätzlich Dein Smartphone, um an diesen Sicherheitscode zu kommen.

Klingt jetzt vielleicht ein wenig kompliziert, aber in 10 Minuten ist das eingerichtet. Im Vergleich zum alljährlich nicht erfüllten Fitness-Vorsatz ist das ein Klacks. Ihr bekommt also nicht nur mehr digitale Sicherheit, sondern auch noch das Gefühl, zumindest einen Neujahrsvorsatz eingehalten zu haben. Ein guter Deal, würd ich sagen.

Apple

  • Geht auf diese Website.
  • Klickt auf «Ihre Apple-ID verwalten» und meldet euch an.
  • Klickt auf «Passwort und Sicherheit».
  • Wählt unter «Zweistufige Bestätigung» die Option «Erste Schritte» aus und folgt den Anweisungen.
  • Voila!

Google

  • Geht auf diese Website.
  • Klickt auf «Jetzt starten».
  • Folgt den Anweisungen.
  • Voila!

Facebook

  • Geht zu den Sicherheitseinstellungen.
  • Klickt auf «Anmeldebestätigungen».
  • Aktiviert die Option «Sicherheitscode für den Zugriff auf mein Konto über einen unbekannten Browser anfordern».
  • Voila!
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Ello, there’s a new kid in town

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Wenn hiesige Mainstream-Medien wie die NZZ, der Tagesanzeiger oder die TagesWoche in seltener Geschlossenheit über ein neues soziales Netzwerk berichten, dann weiss man: Die haben PR-technisch ziemlich vieles ziemlich richtig gemacht. So geschehen vor ein paar Wochen mit Ello, dem new kid in social media town, das nichts weniger verspricht, als eine für immer werbefreie, die Privatsphäre respektierende Alternative zu Facebook zu sein, die ihre Nutzer weder jetzt noch irgendwann in der Zukunft als monetarisierbare Ware betrachten will.

Ob das Vorhaben langfristig von Erfolg gekrönt sein wird, steht in den Sternen (ich bin da eher skeptisch, The Verge auch). Aber dieser Launch illustriert einmal mehr die unglaubliche Kraft der Verknappung. Neben der allseits schwelenden Sehnsucht nach einer echten Alternative zu Facebook nutzten die Macher geschickt den Stempel «invite only» um für einen Ansturm zu sorgen, der in Spitzenzeiten bis zu 27’000 neue Accounts pro Stunde generierte. Eine Zahl, von der 99% neuer Online-Dienste nur träumen können. Nur auf Einladung, das heisst: Die Coolen sind drin, die anderen draussen. Die Folge: In der heissen Phase Ende September wurde sowohl auf sozialen Medien, als auch auf reddit keine Frage so oft gestellt, wie: «Hat jemand Ello-Invites?» Massive Gratis-PR und eine notwendige Herangehensweise zugleich, um die wohl noch ziemlich wacklige Infrastruktur nicht zu überlasten. Ziemlich guter Schachzug.

Wir sind hier im Internet: Wo Begeisterung herrscht, ist der Backlash nicht weit. Spitzfindige Kommentatoren fanden rasch heraus, dass 435’000 Dollar Risikokapital von FreshTracks Capital im Projekt steckten und machten das als sicheren Beweis für die am Horizont sichtbare Korrumpierbarkeit des Dienstes aus. Dieser Kritikpunkt wurde eben erst abgewendet, indem folgendes Statement an die Nutzer versandt wurde:

To assure that Ello always remains ad-free, today Ello converted to a Public Benefit Corporation (PBC).

A Benefit Corporation is a new kind of for-profit company in the USA that exists to produce a benefit for society as a whole — not just to make money for its investors.

The Ello PBC charter states in the strongest legal terms possible that:
Ello shall never make money from selling ads;
Ello shall never make money from selling user data; and
In the event that Ello is ever sold, the new owners will have to comply by these terms.
In other words, Ello exists for your benefit, and will never show ads or sell user data.

Der fatale Endpunkt des unten stehenden Ello-HypeCycle scheint damit schon mal abgewehrt. Well done, lads. Jetzt sind wir gespannt, wie sich das eigentliche Produkt behauptet. Denn darüber reden immer noch die wenigsten.

Falls ihr das mit uns tun wollt, dann schickt uns eine entsprechende Mail. Wir haben noch ein paar Invites zu vergeben.

Mini-Update:

Beim nochmaligen Durchlesen schoss mir durch den Kopf: Ein bold move, diese neue Rechtsform als Public Benefit Corporation. Schon allein durch die Tatsache, dass auch diese von der Publicity profitiert, die Ello zurzeit geniesst. Ich wusste bisher nicht, dass es sowas gibt. Mal nachlesen.

Ello Hype Cycle

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Mobile is eating the world

«Mobile First» – eine der am häufigsten daher gesagten Phrasen, wenn es darum geht, ein neues digitales Produkt zu entwickeln. Und doch bleibt es oft beim herkömmlichen Vorgehen: Man baut eine Website/Applikation, die auf dem Laptop wunderbar funktioniert, bricht das ganze auf den kleinen Touch-Screen herunter und geht dabei ziemlich viele Kompromisse ein. Der Paradigmenwechsel, der sich unter unseren swipenden Fingern vollzieht ist derart fundamental, dass wir offenbar Mühe haben, ihn in seiner ganzen Tragweite zu begreifen. In dem Zusammenhang finde ich die Slides von Benedict Evans jeweils sehr hilfreich. Der beim Venture-Capital-Giganten Andreesen Horowitz angestellte Analyst veröffentlicht unter dem Titel «Mobile Is Eating The World» in regelmässigen Abständen seine Sonntagspredigt zum Stand der mobilen Dinge. Die diesjährige Version veröffentlichte er Ende Oktober und ich empfehle jedem, sie in voller Länge durchzusehen und zu -denken. Für alle, die nicht genug Zeit haben oder einen Appetizer brauchen, seien an dieser Stelle drei besonders beeindruckende Tatsachen rausgezogen, die alle illustrieren, mit welcher Dynamik und Kraft sich der Shift zu Mobile vollzieht:

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Solche Fakten im Hinterkopf helfen nicht nur beim eigenen Fokussieren, sondern können auch gute Dienste leisten, wenn es darum geht, Kunden von einem gewissen Vorgehen zu überzeugen.

Hier gibts die ganze Präsi in ihrer vollen Pracht:


Vor diesem Hintergrund ist dieses Projekt meiner eyeloveyou-Kollegen doppelt beruhigend. Einerseits greift es die problematischen Seiten des Themas («Email is for grandparents») auf spielerische Weise auf, andererseits sieht man, dass hier vom kleinen Screen aus gedacht worden ist. Das Quiz fühlt sich auf meinem Laptop nur halb so gut an, wie auf dem Touchscreen. Mission accomplished.

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