Social Media

Ein Feed voller Blödsinn.

Facebook und Instagram bringen mich auf die Palme.

Social Media ist eine gigantische Wolke aus Lärm und einer Menge Nonsense. Das Verhältnis zwischen Nutzen und Hype steht in keinem Verhältnis. Kritische Einsichten nach sechs Jahren im Social-Media-Beruf.

Ich war bei der Neuen Zürcher Zeitung und bei 20 Minuten als Social-Media-Manager tätig, für die HSW (Hochschule für Wirtschaft) Nordwestschweiz habe ich eine Social-Media-Strategie entwickelt. Zurecht nimmst du jetzt an, ich sei ein Social-Media-Jünger, dessen Glaube an Likes, Retweets und Nutzerdialoge weder im Dies- noch im Jenseits zerbricht. Doch das ist falsch. Nach sechs Jahren bin ich genervt. Und Anlass dazu geben mir nicht nur Trolle und Datenschutzbedenken. Ich hab den Riecher voll von Instagram, Facebook und Snapchat. Dafür verantwortlich mache ich folgende vier Akteure:

Die Medien: Den schnellen Likes und Websiteklicks nachkeuchend, posten alle Redaktionen die Gleichen Beiträge. So zum Beispiel Artikel über den neuen Einhorn-Frappucino von Starbucks, Ananas-Weihnachtsbäume oder gestohlene Schokoladen-Transporter. Nichtmal sprachlich unterscheiden sich die Beiträge: Wie oft habt ihr über einem Facebook-Post schon “Wer von euch war das?”, “Ihr kennt das” oder “Wait for it” gelesen?

 

 

Auch redaktionell geben die Social Media Plattformen mit ihrer emotional aufgeladenen Sphäre den Ton an. Emotionen funktionieren prächtig in der gefühlsdusliegen Social-Media-Welt. Deswegen wird jedes belanglose Ereignis, das nur ansatzweise auf die Tränendrüse drückt und von jemandem auf Facebook dokumentiert wurde, zu einem “Viralen Hit” hochgekocht. Aber: brauchen wir ein hundertstes Babyvideo oder ein tausendstes Hundevideo in unserem Feed? Bringt das gefühlt millionste Filmchen einer herumtollende Katze uns im Leben weiter? Mich nicht.

Dann wären da die mit inflationärer Häufigkeit auftretenden Social-Media-Experten. Mit missionarischem Eifer erklären sie der Welt, dass Social Media der heilige Gral eines jeden ist, egal ob Unternehmer, Politiker oder Möchtegernpromi. Gerne feuern die selbst ernannten Fachexperten in ihren Kursen oder auf ihren Blogs ein Arsenal an Phrasen ab und sprechen von Authentizität und Interaktion auf Augenhöhe. Diese Schlagworte klingen zwar gut in der Theorie, sind aber oft ziemlich vage, wenn es um ihre praktische Anwendung geht.

Hört auf, euer Leben zu teilen

Da sind die Nutzer wie du und ich. Viele sind dem Social-Media-Sachzwang unterworfen und posten und kommentieren, was das Zeugs hält. Sie eifern ein Paar Likes nach und veröffentlichen deswegen jede Belanglosigkeit, die ihnen widerfahren ist: Mittagszeit am See? Schön! Velo hat eine Platte? Du Armer! Und wen interessiert es, dass du heute deine Grossmutter besucht hast (ausser deine Grossmutter vielleicht)? Und als würden sie uns damit nicht schon genug mit ihren Trivialitäten auf den Zeiger gehen, setzten sie unter jeden Post einen – meist – überflüssigen Kommentar.

Eine kleine Anekdote an dieser Stelle: Weil ich vor ein paar Wochen genug hatte von der Profilneurose meiner Freunde, schritt ich zur Tat. Um meinem Instagram-Feed wieder etwas mehr Sinn zu geben, beschloss ich, ihn etwas zu säubern. Ich hab dann Profilfotos von Freunden angeschaut, auf denen sie im Infinitypool oder am Strand oder mit einem Hunde-Filter posieren, und dachte “ich mag dich echt, Digger, aber ich mag dich vor allem im echten Leben” und bin ihnen entfolgt. Einige aufmerksame Freunde haben das realisiert und sich umgehen bei mir über diesen Schritt empört.

Verantwortlich mache ich auch die Plattformbetreiber selber: Die Facebooks, Instagrams und Twitters. Sie, die vortäuschen, mit ihren Kanälen die Menschen zu verbinden, es aber auf unsere Zeit und Aufmerksamkeit absehenSie, die sich – wenig überraschend – als Heilsbringer und gelobte Retter der Demokratie und der Medien inszenieren, dabei aber massenweise unsere Daten hamstern Trollen den weg freigeben und Wahlmanipulationen ermöglichen.

Weil ich mein Geld mit Social Media verdiente, war ich massgeblich an dieser Entwicklung in den sozialen Netzwerken beteiligt: Ich habe Stories geschrieben mit der Absicht, “virale Hits” zu erzeugen und mehrmals über Hunde oder Babies berichtet, ich habe Menschen dazu ermutigt, auf Social Media aktiv zu sein, obwohl sie keinen Bock hatten. Und ich habe Facebook, Twitter und Instagram mit Unmengen von Mist zugemüllt, den keinen interessiert. Ich bekenne mich schuldig.

 

Gastblogger Lorenz König macht was mit Medien und ab und zu was mit Musik. Seine Gedanken zum Gang der Welten veröffentlicht er auf dem Blog Boom-Town (https://medium.com/boom-town), sein Twitterhandle lautet: @lorenzkoenig

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