Wenn hiesige Mainstream-Medien wie die NZZ, der Tagesanzeiger oder die TagesWoche in seltener Geschlossenheit über ein neues soziales Netzwerk berichten, dann weiss man: Die haben PR-technisch ziemlich vieles ziemlich richtig gemacht. So geschehen vor ein paar Wochen mit Ello, dem new kid in social media town, das nichts weniger verspricht, als eine für immer werbefreie, die Privatsphäre respektierende Alternative zu Facebook zu sein, die ihre Nutzer weder jetzt noch irgendwann in der Zukunft als monetarisierbare Ware betrachten will.
Ob das Vorhaben langfristig von Erfolg gekrönt sein wird, steht in den Sternen (ich bin da eher skeptisch, The Verge auch). Aber dieser Launch illustriert einmal mehr die unglaubliche Kraft der Verknappung. Neben der allseits schwelenden Sehnsucht nach einer echten Alternative zu Facebook nutzten die Macher geschickt den Stempel «invite only» um für einen Ansturm zu sorgen, der in Spitzenzeiten bis zu 27’000 neue Accounts pro Stunde generierte. Eine Zahl, von der 99% neuer Online-Dienste nur träumen können. Nur auf Einladung, das heisst: Die Coolen sind drin, die anderen draussen. Die Folge: In der heissen Phase Ende September wurde sowohl auf sozialen Medien, als auch auf reddit keine Frage so oft gestellt, wie: «Hat jemand Ello-Invites?» Massive Gratis-PR und eine notwendige Herangehensweise zugleich, um die wohl noch ziemlich wacklige Infrastruktur nicht zu überlasten. Ziemlich guter Schachzug.
Wir sind hier im Internet: Wo Begeisterung herrscht, ist der Backlash nicht weit. Spitzfindige Kommentatoren fanden rasch heraus, dass 435’000 Dollar Risikokapital von FreshTracks Capital im Projekt steckten und machten das als sicheren Beweis für die am Horizont sichtbare Korrumpierbarkeit des Dienstes aus. Dieser Kritikpunkt wurde eben erst abgewendet, indem folgendes Statement an die Nutzer versandt wurde:
To assure that Ello always remains ad-free, today Ello converted to a Public Benefit Corporation (PBC).
A Benefit Corporation is a new kind of for-profit company in the USA that exists to produce a benefit for society as a whole — not just to make money for its investors.
The Ello PBC charter states in the strongest legal terms possible that:
Ello shall never make money from selling ads;
Ello shall never make money from selling user data; and
In the event that Ello is ever sold, the new owners will have to comply by these terms.
In other words, Ello exists for your benefit, and will never show ads or sell user data.
Der fatale Endpunkt des unten stehenden Ello-HypeCycle scheint damit schon mal abgewehrt. Well done, lads. Jetzt sind wir gespannt, wie sich das eigentliche Produkt behauptet. Denn darüber reden immer noch die wenigsten.
Falls ihr das mit uns tun wollt, dann schickt uns eine entsprechende Mail. Wir haben noch ein paar Invites zu vergeben.
Mini-Update:
Beim nochmaligen Durchlesen schoss mir durch den Kopf: Ein bold move, diese neue Rechtsform als Public Benefit Corporation. Schon allein durch die Tatsache, dass auch diese von der Publicity profitiert, die Ello zurzeit geniesst. Ich wusste bisher nicht, dass es sowas gibt. Mal nachlesen.